„Einen Vorteil hat es ja schon, wenn man verzweifelt ist:
Man wird viel offener.“
Tiffy, S.9 (erster Satz)
Rezensionsexemplar | Love to share – Liebe ist die halbe Miete
|
Klappentext
Not macht erfinderisch: Tiffy braucht eine günstige Bleibe, Leon braucht dringend Geld. Warum also nicht ein Zimmer teilen, auch wenn sie einander noch nie begegnet sind? Eigentlich überhaupt kein Problem, denn Tiffy arbeitet tagsüber, Leon nachts. Die Uhrzeiten sind festgelegt, die Absprachen eindeutig. Doch das Leben hält sich nicht an Regeln …
Quelle: Bloggerportal (www.blogger.randomhouse.de)
___________________________________________________________________________________
Liebesromane haben es bei mir schon nicht so leicht: Es gibt sie wie Sand am Meer und ein Buch dieses Genres muss aus der Masse herausstechen, dass ich neugierig werde, wenn es sich dabei um eine*n für mich unbekannte*n Autor*in handelt.
Der Bookstagram-Community habe ich es zu verdanken, auf genau so ein Buch aufmerksam geworden zu sein. Denn “Love to share” wurde von so vielen Lesern in die Kamera gehalten, dass ich um dieses 480-Seiten langes Buch einfach nicht drum herum kam.
Nachdem ich mir nach den ersten Posts dann den Klappentext durchlas, war ich direkt Feuer & Flamme und wollte wissen, ob die Begeisterung der vielen Leser*innen gerechtfertigt ist oder es sich dabei nur um einen zeitgenössischen Roman unter vielen handelt.
Meinung
Fangen wir aber erstmal von vorne an und bringen etwas Licht ins Dunkle :-).
Nachdem Tiffy von ihrem Freund Justin für eine andere Frau verlassen wird, benötigt diese nun eine neue Bleibe. Bei der Wohnungssuche ist Tiffy nicht sehr wählerisch (im Gegensatz zu ihren langjährigen Freunden Mo und Gerty). Bloß ein Kriterium gibt es zu erfüllen: Günstig muss sie sein, denn als Juniorlektorin ist ihr Verdienst mehr als mies! Da kommt ihr die Anzeige von Leon, der seine 1,5-Zimmer-Wohnung lediglich für 350 Pfund pro Monat zur Untermiete anbietet, doch gerade recht und Tiffy kann nicht anders, als auf das Angebot einzugehen. Ungewöhnlich an der ganzen Situation ist nur folgendes: Die Beiden teilen sich die Wohnung ohne sich vorher jemals begegnet zu sein bzw. werden Tiffy und Leon sich nie gleichzeitig in der Wohnung befinden. Denn Leon arbeitet unter der Woche von 18:00-08:00 Uhr als Nachtpfleger in einer Palliativklinik, befindet sich an den Wochenenden bei seiner Freundin Kay, die sich für ihn um die Organisation der Untervermietung kümmert und Tiffy geht tagsüber ihrem Job im Verlagswesen nach.
Für Tiffy und Leon also eine Win-win-Situation: Jeder kann seinen eigenen Aktivitäten nachgehen und, abgesehen von den Habseligkeiten des jeweils anderen, erscheint es einem nicht so, dass sie die Wohnung mit einer anderen Person teilen.
Als Tiffy dann eines Tages einen Klebezettel mit einer Notiz auf dem Sideboard für Leon hinterlässt, hat die Funkstille ein Ende. Dies ist der Beginn einer wirklich unterhaltsamen Art der Kommunikation und beide lernen sich Post-it für Post-it besser kennen – ohne sich wirklich zu begegnen.
Ehrlich gesagt hatte ich keine großen Erwartungen, denn der Klappentext klingt eher unspektakulär bis auf die Tatsache, dass ich die Vorstellung, sich eine 1,5-Zimmer-Wohnung mit einer völlig fremden Person zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten zu teilen, dann doch auch irgendwie interessant fand. Vor allem auf die Umsetzung des Ganzen war ich gespannt, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man dies ohne, ich nenne es jetzt mal “Lücken in der Logik”, glaubwürdig zu Papier bekommt. Sei es nur an der Haustür, wenn der eine von der Arbeit nach Hause kommt und der andere gerade die Wohnung verlässt. Irgendwann müssen die Personen doch aufeinander treffen bzw. sich mal über den Weg laufen. Die Autorin schafft es aber, mir als Leser total glaubwürdig und realitätsnah zu erklären, dass es durch gewisse Ereignisse eben nicht genau dazu kommt. Klar, jedem sollte bewusst sein, dass das nicht das ganze Buch über so geht und die beiden sich natürlich irgendwann begegnen müssen, dass die Handlung ihren Lauf nimmt. Hierzu muss ich sagen, dass ich mir dieses erste aufeinander treffen weniger klischeehaft gewünscht hätte. Das war mir an dieser Stelle dann doch etwas zu einfach gelöst.
Aber weiter im Text.
Beth O’Leary hat mit Tiffy und Leon zwei unglaublich sympatische Charaktere erschaffen, die absolut authentisch und greifbar sind. Dadurch, dass das Buch aus beiden Sichtweisen abwechselt geschrieben ist, konnte ich als Leser die Gefühle der beiden sehr gut nachvollziehen.
Tiffy ist sehr quirlig, laut und temperamentvoll. Sie trägt in vielen Situationen das Herz auf der Zunge und ist ein absoluter Gefühlsmensch. Man könnte vermuten, dass sie etwas ins Extreme charakterisiert wird, wie es oftmals bei britischen Liebesromanen der Fall ist. Dies habe ich hier allerdings überhaupt nicht so empfunden und fand die Kapitel über Tiffy sehr flüssig und angenehm zu lesen.
Leon hingegen ist das absolute Gegenteil von ihr. Sehr introvertiert und zurückhaltend, aber auch sanftmütig und besonders fürsorglich. Dies merkt man schnell am Umgang mit seinen Patienten im Hospiz. Der Erzählstil hier ist aber nicht unbedingt etwas für jedermann: Die Sätze erschienen mir sehr abgehackt und unvollständig. Ich fand dies jedoch weniger tragisch, da für mich dadurch seine Persönlichkeit besser zum Ausdruck gebracht wurde. Was mir an Leons Charakter aber besonders gut gefallen hat ist, dass er weder als übertriebener Romantiker noch fieser Bad Boy dargestellt wird. Die Nebencharaktere waren ebenfalls alle liebenswert und jede*r hatte seine Stärken und Schwächen. Es war ein gut aufeinander abgestimmter bunter Haufen ohne nervigen Störenfried. Besonders Gerty ist hierbei für mich mein persönliches Highlight gewesen: Schroff, an der Grenze zur Unhöflichkeit, aber immer loyal und ehrlich. Ein sehr toller Charakter!
Wobei ich den Handlungsstrang mit dem guten alten Mr. Prior auch einfach herzzerreißend fand.
Neben der Liebesgeschichte zwischen Tiffy und Leon lässt die Autorin aber auch viele kleine Handlungsstränge mit einfließen. Hierbei werden wichtige und ernste Themen aufgegriffen, womit man zu Beginn des Buches nicht gerechnet hätte. Nicht unerwähnt möchte ich in diesem Zusammenhang lassen, dass Tiffy aus einer toxischen, manipulativen Beziehung kommt, deren psychischen Missbrauchs sie sich erst nach und nach so richtig bewusst wird. O’Leary hat zwar bei dieser Umsetzung viel Feingefühl bewiesen, jedoch las es sich für mich eher so, als ob nur leicht an der Oberfläche gekratzt wird, weil man zwanghaft ein psychisches Problem mit einbringen wollte. Doch selbst die kleinste Anmerkung zu einer solchen Thematik kann bei manchen Lesern schon unerwünschte Erinnerungen hervorrufen, weshalb man -meiner Meinung nach- mit so etwas sehr vorsichtig sein sollte. Ich hätte mir diesbezüglich, wenn man schon mit solch einem Thema anfängt, mehr Tiefgang und Aufklärung gewünscht.
Auftauchende Probleme werden hier aber zwischen den Charakteren keinesfalls totgeschwiegen oder ein riesiges Drama, welches auf Missverständnissen basiert, daraus gemacht. Es wird sachlich und ausgereift erzählt.
Fazit
Mit ihrem Debütroman “Love to share” konnte mich Beth O’Leary ab dem ersten Satz fesseln und, trotz der kleinen Nörgelein meinerseits :-), mir herrliche Lesestunden bescheren.
Ein “seichter” Liebesroman mit sympathischen Charakteren, einer ungewöhnlichen Ausgangssituation, tollem Zusammenspiel zwischen Haupt- und Nebenhandlung und glaubwürdigem Gefühlschaos. Doch neben Witz und dem langsamen Kennenlernen zweier von Grund auf verschiedener Persönlichkeiten, deren Leben sich synchron zueinander verändert, macht die Autorin besonders auf ein sehr wichtiges Thema aufmerksam (welches, meiner Meinung nach, immer noch viel zu wenig in Büchern besprochen wird): Psychologischer Missbrauch in Beziehungen! Deswegen würde ich eine eher eingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Wer damit aber kein Problem hat kann sich auf eine herrliche Geschichte freuen <3!
No Comments